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Regionales Gesundheitsforum

18. 07. 2024

Auch am diesjährigen Gesundheitsforum nahmen knapp 40 Akteurinnen und Akteure aus dem Gesundheitsbereich aus dem Passauer Land teil. „Die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger liegt uns allen am Herzen. Mit vereinten Kräften wollen wir die Herausforderungen angehen, die vor uns liegen, und gemeinsam Lösungen finden, die die Lebensqualität in unserer Region verbessern. Dabei ist der Austausch von aktuellen Themen, Erfahrungen und Ideen, wie er heute stattfindet, von unschätzbarem Wert.“, eröffnete Landrat Raimund Kneidinger die Veranstaltung. 

Im Fokus standen aktuelle Initiativen wie das Zentrum für seelische Gesundheit der Kinderklinik Dritter Orden Passau und des Bezirk Niederbayerns sowie die Projekte und Themen der Gesundheitsregionplus Passauer Land in den Handlungsfeldern der medizinischen Versorgung, Pflege, Prävention und Gesundheitsförderung sowie dem Netzwerk der gesunden Gemeinden. Das Plenumsgespräch bot zudem eine hervorragende Gelegenheit zum Austausch und zur Setzung wertvoller Impulse. 

 

Das „Zentrum für seelische Gesundheit“ in Passau wurde von der Kinderklinik und der Kinder—und Jugendpsychiatrie des Bezirks Niederbayern initiiert. „Ausgangspunkt war, dass die Krankheitsbilder immer komplexer und mehrdimensionaler werden und immer mehr Überschneidungen zwischen psychiatrischen, psychosomatischen und somatischen Krankheitsaspekten vorherrschen, diese stellen Eltern und Patienten oft vor die Herausforderung, sofort den richtigen Ansprechpartner zu finden“, erklärt Prof. Dr. Matthias Keller, ärztlicher Leiter der Kinderklinik Dritter Orden Passau zum Hintergrund. Der Ansatz betont das Verständnis der Krankheit im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung des Kindes mit psychischer Erkrankung im Kontext seiner Familie und des professionellen Unterstützungsteams. „Der Krankenhausplanungsausschuss hat zusätzlich 30 Betten für die Kinder- und Jugendpsychiatrische und Psychosomatische Versorgung in Passau als notwendig anerkannt, davon entstehen 10 in der 10 Kinderklinik und 20 als Neubau einer stationären Kinder-und Jugendpsychiatrie. Mit der Kooperation mit dem Bezirk entsteht ein interdisziplinäres Zentrum für pädiatrische Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie, das auf einen ganzheitlichen Ansatz setzt und Synergien zwischen verschiedenen Fachgebieten schafft“, erklärt Prof. Dr. Keller. Ein zentrales Team koordiniert die bestmögliche Behandlung über eine Hotline, wodurch eine effiziente Nutzung der Ressourcen nach dem Motto „Hilfe aus einer Hand“ gewährleistet wird. Das Zentrum für seelische Gesundheit wird somit eine wegweisende Rolle in der Betreuung psychisch erkrankter junger Menschen in Ostbayern spielen, indem es eine effiziente und koordinierte Versorgung ermöglicht.

 

Zudem begegnet diese Kooperation unter diesem Aspekt auch der zunehmenden Herausforderung von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Als Antwort darauf hat sie das Therapie-Centrum Essstörung Ostbayern (TCEO) gegründet. Dieses Zentrum bietet eine umfassende Betreuung für Patienten mit Essstörungen, beginnend bei der Erstberatung über eine genaue Diagnostik bis hin zu einer individuell angepassten Therapie und Nachsorge. Ein multiprofessionelles Team aus verschiedenen Fachrichtungen arbeitet zusammen, um eine ganzheitliche und bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. „Das strukturierte Case-Management unterstützt dabei die Patienten und ihre Familien vom ersten Kontakt an und sorgt für eine nahtlose Kommunikation und Koordination zwischen den beteiligten Parteien.“, erläutertet Ann-Christin Schoibl, Koordinatorin des Kindergesundheitsnetzwerk Ostbayern (KiGO). 

 

Ein dringendes Anliegen war auch die Hebammenversorgung im Landkreis Passau. Durch Bedarfsanalysen wurde bestätigt, dass viele Frauen Schwierigkeiten haben, eine Hebamme zu finden. Hierzu wurde ein neues Konzept zur Verbesserung dieser Situation vorgestellt, das eine zentrale Koordinierungsstelle und eine bessere Vernetzung der Hebammen vorsieht. Diese Maßnahmen sollen Synergien schaffen und die Ressourcen effizienter nutzen. Die Maßnahmen umfassen unter anderem die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die von freiberuflichen Hebammen betreut wird, und die Einführung einer Rufbereitschaftspauschale, um die Attraktivität der Bereitschaftsdienste zu erhöhen. Die Maßnahmen haben Anfang des Jahres gestartet und bereits erste Erfolge verzeichnet. „Bisher haben sich 50 Hebammen registriert und 12 Frauen wurden bereits erfolgreich vermittelt“, berichtet Tanja Brunnbauer, die leitende Hebamme der Koordinierungsstelle. 

 

Die AG medizinische Versorgung mit dem Sprecher Prof. Dr. Matthias Keller arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung der medizinischen Infrastruktur in der Region. Eine eigens eingerichtete Task Force zur Vernetzung von Ärzten und Praxisnachfolgern hat sich bereits gut etabliert und verzeichnet eine positive Resonanz auf Werbemaßnahmen zur Nachfolgesuche von Praxen. Durchschnittlich melden sich sieben interessierte Ärzte pro Anzeige, was die Effizienz der Maßnahmen unterstreicht. Die Koordinierungsstelle arbeitet eng mit den Akteuren, insbesondere den Bürgermeistern aus dem Netzwerk, zusammen. Nachwuchsförderung und Kontaktpunkte zu angehenden Medizinern werden durch Initiativen wie das Blockpraktikum an der Kinderklinik Passau, Landarztmacher, Landarztmanufaktur sowie engagierte Praxen aus dem Passauer Land weiter ausgebaut. Veranstaltungen wie „Kommunen und Mediziner gestalten Zukunft“ fördern die Vernetzung und führten zu wichtigen Schritten, wie der Gründung eines Ärztenetzwerks zur Nachwuchsförderung und der Marketingkampagne „als Arzt oder Ärztin ins Passauer Land“. Das engagierte Ärztenetzwerk widmet sich der Sicherstellung der medizinischen Versorgung durch die Gewinnung und Bindung qualifizierten Nachwuchses. Dabei werden durch Unterstützung der Integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) Rott und Inn, umfassende Förderungen und ein Rahmenprogramm angeboten, um die Region für junge Mediziner attraktiv zu gestalten. „Wir setzen auf eine ganzheitliche Förderung, die sowohl die fachliche Ausbildung als auch die persönlichen Bedürfnisse der Nachwuchskräfte berücksichtigt und miteinander verbindet.“, erläutert dabei Dr. Paul Schwanitz von Keitz, stellvertretender Chefarzt & leitender Oberarzt des Rehafachzentrums Bad Füssing. „Zur Förderung junger und florierender Praxen sei zudem die Anpassung der Fördermöglichkeiten an die aktuellen Gegebenheiten essenziell.“, erklärte Frau Dr. Julia Meyer-Wick, die sich im Netzwerk zur Nachwuchsförderung besonders engagiert. Hierzu wäre es beispielsweise ein wichtiger Ansatz die Landarztprämie dahingehend anzupassen, dass beim Ausbau von Praxen und der Anstellung von weiteren Ärztinnen bzw. Ärzten diese auch erneut abgerufen werden kann.

 

„Um den Herausforderungen zu begegnen, müssen wir in Zukunft noch mehr in Patientenpfaden denken.“ betonte Prof. Matthias Keller. Hierbei spielt das transsektorale Case Management für chronisch Kranke eine entscheidende Rolle. Es bedarf der Strategien für die Versorgungspfade in der Region, die eine übergreifende Zusammenarbeit und Kooperationsverträge bzw. Ermächtigungen erfordern. Problematisch ist auch die Notfallversorgung. Aktuell sind beispielsweise bis zu 80 % der Patienten in der Notfallambulanz der Kinderklinik keine echten Notfälle, die einer Versorgung in der Notfallambulanz einer Klinik bedürfen. Dieses Missverhältnis führt dazu, dass weniger Ressourcen für schwer erkrankte Menschen zur Verfügung stehen. Durch Unsicherheit und mangelnde Gesundheitskompetenz ist die Selbstwirksamkeit der Patienten beeinträchtigt. Aufklärung, wann ärztliche Hilfe wirklich notwendig ist, ist daher entscheidend. Modelle, bei denen ein Ansprechpartner vor Ort als Lotse fungiert, könnten in Zukunft wichtiger werden, um Unterversorgung zu verhindern. Der Einsatz von Physician Assistants, wie sie an der Technischen Hochschule Deggendorf ausgebildet werden und bereits erfolgreich in den Landkreis Passau Gesundheitseinrichtungen tätig sind, ist vielversprechend. „Für Hausarztpraxen sind sie jedoch oft zu teuer, weshalb hier auf Versorgungsassistentinnen und -assistenten (VERAH) gesetzt wird.“, erläutert Dr. Michael Rosenberger, Vorstand des ärztlichen Kreisverbandes. „Auch die öffentliche Apotheke könnte als Lotse fungieren und muss daher erhalten bleiben, besonders angesichts des Apothekensterbens.“, betonte Stefan Burgstaller, Inhaber der St. Josefs Apotheke in Fürstenzell. Darüber hinaus wurde auch die Wichtigkeit der innovativen transsektoralen Versorgungskonzepte betont. In diesem Zusammenhang wurden Konzepte von jungen Ärzten im Landkreis wie beispielsweise das geplante Ärztehaus in Salzweg-Jägeröd im Ortsteil als zukunftsweisend betitelt. Wichtig sei es in diesem Zusammenhang, die Ärzte umfassend zu fördern und gerade auch die finanziellen Fördermöglichkeiten dahingehend anzupassen. "Es ist von zentraler Bedeutung, Initiativen von jungen Medizinern als Experten in diesem Bereich zu unterstützen. Solche bedarfsorientierten innovativen Konzepte erhöhen die Attraktivität der Niederlassung für junge Ärzte auf dem Land signifikant und tragen langfristig zur Sicherung der medizinischen Versorgung bei“, so Lisa Fraunhofer, Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregionplus Passauer Land. 

 

Das Handlungsfeld der Pflege wurde ausführlich in der dieses Jahr erstmalig stattgefunden Pflegekonferenz behandelt, daher erfolgte im Gesundheitsforum nur ein Kurzbericht. Innerhalb der Pflegeregionplus Passauer Land sind viele ambulante, stationäre und Rehaeinrichtungen aktiv, um gemeinsam das allgegenwärtige Thema des Personalmangels zu forcieren. Hierbei werden Maßnahmen initiiert, die das Image der Pflege verbessern und Synergien nutzen. Besonders betont wurden in diesem Zusammenhang die Einrichtungstouren. „Die Pflegebus-Touren können als Erfolgsprojekt betitelt werden, bereits 354 Schülerinnen und Schüler konnten wir hierbei einen Einblick in den facettenreichen stationären sowie ambulanten Pflegebereich zeigen“, erklärte Eduard Wall, Inhaber des Pflegedienstes CARE Pflegeteam. „Durch eine attraktive Ausgestaltung unter Einbindung aktiver Aufgaben und Aufbereitung in Form einer Rettungskette werden die Touren äußerst spannendend gestaltet und finden großen Anklang sowohl bei den Lehrern als auch Schülerinnen und Schülern“, ergänzte Alexander Berger, Pflegedienstleiter der Landkreis Passau Gesundheitseinrichtungen.

 

Über 50 Prozent der Pflegebedürftigen werden im Landkreis Passau von Angehörigen gepflegt, wodurch sie die zentrale Stütze darstellen. Diese Verantwortung bringt jedoch enorme Belastungen mit sich, weswegen spezielle Unterstützungs- und Entlastungsangebote dringend erforderlich sind. Die Fachstellen für pflegende Angehörige bieten umfassende Beratungsleistungen an, darunter zu Diensten wie Essen auf Rädern und Tagespflegeplätzen. Um die Zugänglichkeit dieser Beratungsstellen zu verbessern, wurde eine Handreichung entwickelt, die kontinuierlich überarbeitet und verbreitet wird. Zusätzlich hat der Landkreis Passau gemeinsam mit dem VdK eine neue Wohnberatungsstelle eingeführt, die eine aufsuchende Beratung bei Fragen zu Wohnumbaumaßnahmen direkt vor Ort ermöglicht.

 

Im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung wird ab 2025 der Masterplan Prävention vom Gesundheitsministeriums forciert, hierbei sollen auch die Gesundheitsregionenplus eine Schlüsselrolle spielen. Darüber hinaus wurde für 2024/25 Frauengesundheit als neues Schwerpunktthema festgelegt. Dabei soll das Bewusstsein für frauentypische Risiken und Krankheiten erhöht und die Frauengesundheit über die gesamte Lebensspanne betrachtet werden. Hierzu werden im Landkreis bereits umfassende Maßnahmen und Angebote zusammen mit dem Kompetenzzentrum für Prävention und Gesundheitsförderung am Gesundheitsamt, geleitet von Michaela Öller-Kafrle und den gesunden Gemeinden im Landkreis Passau geplant und umgesetzt. 

 

Das Kompetenzzentrum treibt darüber hinaus umfassende Projekte im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung voran. „Diese umfassen überregionale Kooperationen, präventive Angebote für Schulklassen und Fachkräfte sowie spezielle Programme wie ‚Respect Me‘ oder das Cannabis-Präventionsprogramm. Weitere Initiativen sind der jährliche Frauengesundheitstag, Kinder- und Jugendgesundheitstage und das Elternbildungsprojekt Elterntalk, das 2024 sein 10-jähriges Jubiläum feiert,“ berichtete Frau Öller-Kafrle. Hinzu kommen Kooperationen wie die PR Clinic mit der Uni Passau, die auf die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung abzielen, und die Erstellung einer neuen Jugendschutzbroschüre in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen. Der Arbeitskreis Frauen und Gesundheit, der den Frauengesundheitstag organisiert, feiert dieses Jahr bereits sein 30-jähriges Jubiläum. Das Kompetenzzentrum stärkt somit mit seinen vielfältigen Projekten die Gesundheitskompetenz und fördert die Gesundheit der Bevölkerung nachhaltig.

 

Auch die gesunden Gemeinden verfolgen einen Präventions- und Gesundheitsförderungsansatz. Hierzu berichtete der Projektkoordinator Robert Weindl. Durch die Unterstützung der AOK Gesundheitskasse in Form einer Förderung von 206.000 € bis 2027 können in Zukunft umfassende Maßnahmen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Landkreis Passau realisiert werden. Aktuell wird ein Maßnahmenkoffer erarbeitet, der Maßnahmen zur Förderung der Bewegung, Entspannung und gesunden Ernährung beinhaltet, welche anschließend in den aktuell 18 gesunden Gemeinden umgesetzt werden. In diesem Zuge wurde auch die Gemeinde Beutelsbach, die erst kürzlich dem Netzwerk beigetreten war, begrüßt. 

 

INFO

Was ist das Gesundheitsforum?  

Das regionale Gesundheitsforum fungiert als zentrales Steuerungsgremium der Gesundheitsregionplus Passauer Land. Die Gesundheitsregionen agieren durch ein Netzwerk an regionalen Akteurinnen und Akteuren in den Handlungsfeldern der medizinischen Versorgung, Pflege sowie Prävention und Gesundheitsförderung. Als Besonderheit im Landkreis Passau besteht zudem das Netzwerk der gesunden Gemeinden, die sich besonders für einen gesundheitsorientieren Ausbau des Landkreises Passau engagieren.

 

Bild zur Meldung: Regionales Gesundheitsforum