Pflegekonferenz im Landkreis Passau
auf Schloss Neuburg im Landkreis Passau fand erstmalig die Pflegekonferenz, als Forum für den Austausch und die Diskussion über die Herausforderungen und Chancen in der Pflege statt. Organisiert über die Gesundheitsregionplus Passauer Land, insbesondere über den Zusammenschluss der Pflegeregionplus Passauer Land nahmen über 60 Teilnehmer aus unterschiedlichen Bereichen, darunter Vertreter von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, Reha-Einrichtungen, Pflegekassen, der medizinische Dienst, die Heimaufsicht, die Fachstellen für pflegende Angehörige sowie kommunale Politiker, die Wirtschaftsförderung, die Integration durch Qualifizierung Fachberatungsstelle sowie die Fachstelle für Senioren an der Veranstaltung teil.
Die Konferenz wurde von Landrat Raimund Kneidinger eröffnet. Dieser betonte in seinen Grußworten insbesondere die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, um den Herausforderungen im Pflegebereich zu begegnen. „Besonders erfreulich ist in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit in der AG Pflege bei der sich als Pflegeregionplus Passauer Land ein Zusammenschluss aus ambulant, stationären und Rehaeinrichtungen gebildet hat, die gemeinsam durch verschiedene kreative Aktionen besonders aktiv werden und Synergien nutzen“, so Kneidinger.
Im ersten Teil der Veranstaltung wurden aktuelle Zahlen und Informationen übermittelt. Herrn Michael Wittmann vom Verein für Pflegende in Bayern präsentierte jüngste Statistiken aus dem Pflegemonitoring. Hierbei wurden Bevölkerungsprognose, die prognostizierte Entwicklung des pflegerischen Bedarfs sowie des Personalbedarfs im ambulanten und stationären Bereich vorgestellt. Herr Wittmann wies in diesem Zuge besonders auf die Bedeutung der pflegenden Angehörigen hin. Auf der Zahlenbasis wurde ersichtlich, dass insgesamt knapp 54 Prozent im Landkreis Passau von Angehörigen gepflegt werden. „Für den Landkreis Passau ergeben sich nach Schätzungen auf Basis der Durchschnittswerte in der Betreuung und Pflege somit mindestens 417.000 Stunden geleistete Sorge- und Pflegestunden von den informell Pflegenden pro Woche“, so Wittmann.
Auf Basis dieser Zahlen wurde die allgegenwärtige Herausforderung des Personalmangels im Pflegebereich und die Wichtigkeit der pflegenden Angehörigen nochmals untermauert. Um hierzu gemeinsam das Thema des Personalmangels zu forcieren hat sich Anfang des Jahres 2022 die Arbeitsgruppe der Pflege innerhalb der Pflegeregionplus Passauer Land formiert. Sie stellten in der Veranstaltung konkrete Maßnahmen vor. Der Zusammenschluss agiert dabei auf drei Säulen und hat sich somit den Bestrebungen verschrieben regional das Image der Pflege zu verbessern, Synergien zu nutzen und politische Fehlentwicklungen öffentlich zu monieren.
Dies umfasst beispielsweise Maßnahmen wie Aktionstage, eine gemeinsame Bewerber- und Fortbildungsdatenbank, eine Imagekampagne und die Schaffung einer gemeinsamen Homepage. Als Erfolgsprojekt wurden die Einrichtungstouren betitelt. An diesen nahmen mittlerweile bereits 354 Schülerinnen und Schüler im Landkreis Passau teil und erhielten spannende Einblicke in die Einsatzmöglichkeiten im Pflegebereich. „Die Einrichtungstouren tragen dazu bei, die facettenreichen Einsatzmöglichkeiten in der Pflege sozusagen erfahrbar zu machen und insgesamt Vorurteile abzubauen, sowie das Image der Pflege zu verbessern“ betonte Martin Marek, Pflegedirektor der Landkreis Passau Gesundheitseinrichtungen.
Neben den Einrichtungstouren werden insbesondere auch bei Aktionstagen Einblicke in den Bereich der Pflege gegeben. Bei diesen wurde der Pflegebus beispielsweise bereits direkt in der Stadtmitte in Passau oder Vilshofen platziert und mit aktiven Mitmach-Aktionen wie Vitalwertemessung und VR-Brille für den Pflegebereich geworben. Ein besonders erfolgreicher Aktionstag, der durch Herrn Hisch, Einrichtungsleitung, Prokurist des KWA Kuratorium Wohnen im Alter gAG und des KWA Klinik Stift Rottal, initiiert und organisiert wurde, fand kürzlich in Bad Griesbach statt. Hierbei wurden neben pflegerischen Berufen ebenso Rettungsberufe bzw. Ehrenämter vorgestellt. Besonderes Highlight war hierbei die Darstellung einer akuten Unfallsituation und die damit einhergehende Rettungskette durch Feuerwehr, Polizei, Notfallsanitäter und anschließende medizinische Versorgung. „Durch den Zusammenschluss der AG Pflege ist inzwischen eine enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren entstanden, die es ermöglicht gemeinsam an einen Strang zu ziehen, Werbeaktionen für den sozialen Bereich umzusetzen und Probleme auch offen ansprechen zu können“, betonte Herr Hisch bei der Pflegekonferenz.
Nach den Vorträgen wurde eine lebendige Diskussion zu aktuellen Themen in einem Open Space Format angestoßen. Hierbei wurden die Themenschwerpunkte maßgeblich von der AG Pflege mitgestaltet und insbesondere folgende Statements klar.
Bezahlbarkeit der Pflege – Der Wert der Pflege sei zwar gerechtfertigt, bei der Bezahlung müsste aber irgendwann der Eigenanteil für die Betroffenen gedeckelt werden und der Anteil der Pflegekassen steigen. Momentan ist es genau umgekehrt, was dazu führt, dass sich immer mehr die stationäre Pflege nicht mehr leisten können oder wollen und immer mehr zu Sozialhilfeempfänger werden, was wiederum unser Sozialsystem belastet. Es wurde betont, dass Pflege bezahlbar bleiben muss und dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Arbeitsressourcen zu verbessern und die Bürokratie zu reduzieren. In diesem Zuge wurde auch die Verschwendung von Arbeitsressourcen angesprochen und mehr Flexibilität der Dienstleister gefordert sowie der strukturierte, informelle Aufbau der Angebote nach §45 angesprochen.
Erfahrungen mit der generalistischen Pflegeausbildung - die Teilnehmenden äußerten Bedenken über die "seichte" Ausbildung und betonten die Herausforderungen in Bezug auf Sicherstellung, Mobilität und den Übergang ins Berufsleben nach der Ausbildung. In den Einrichtungen selbst muss sehr viel „Nachqualifizierungsarbeit“ geleistet werden.
Chancen und Optimierungspotenzial der Digitalisierung – Die Digitalisierung wird insgesamt als große Chance gesehen, um gerade hinsichtlich der Dokumentationspflicht Entlastung zu erreichen. Als Experte in dieser Runde konnte Prof. Dr. Thomas Spittler, Prodekan für Digitalisierung und Gesundheit an der Technischen Hochschule Deggendorf neuste Entwicklungen wie beispielsweise den Einsatz einer Aufzeichnungssoftware, Robotik hinsichtlich Sicherheit und Betreuung sowie die Nutzung eines Wundmanagers via Telematik in die Diskussion miteinfließen lassen. Der Diskurs umfasste Themen wie Datenschutz, die Chance der Technologieintegration (TI), die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik zur Unterstützung in der Pflege sowie die Digitalisierung von Prozessen wie Entlass- und Wundmanagement und die Integration digitaler Hilfsmittel in die Ausbildung. Darüber hinaus wurde auch auf die Herausforderungen bei der Einführung der TI hingewiesen. Die langen Implementierungszeiten und die hohen Kosten wurden thematisiert. Darüber hinaus wurde die Unsicherheit bezüglich möglicher Verschiebungen der Einführung und das Fehlen einer klaren Terminierung diskutiert. Es wurde betont, dass eine zuverlässige Planung und Kostentransparenz für den erfolgreichen Rollout der TI essenziell sind.
Ein konkreter und einfacher Schritt wäre es beispielsweise wenn die Digitalisierung bei den Abrechnungsstellen Einzug halten würde und genauso wie in anderen Bereichen bereits umgesetzt eine digitale Unterschrift beim Leistungsnachweis ambulanter Dienste möglich wäre.
Gespräch mit Prüfinstanzen - Die Teilnehmer sprachen sich für eine transparente und kooperative Zusammenarbeit mit Prüfinstanzen aus. Es wurde betont, dass eine frühzeitige Ankündigung von Prüfungen zur mentalen Entlastung des Pflegepersonals beiträgt und die Zusammenarbeit zwischen FQA und Einrichtungen stärkt. Außerdem wurde die Notwendigkeit defizitorientierter Prüfberichte hinterfragt und eine klarere Zukunftsperspektive in Bezug auf Personalprüfungen gefordert.
Nach den bay. Handlungsleitlinien zur Bedarfsermittlung in der Langzeitpflege wird empfohlen, dass neben der großen Fortschreibung (die im Jahr 2022 im Rahmen des SPGK durchgeführt wurde) jährlich eine Bestandsfortschreibung der Grunddaten zu den Versorgungsstrukturen im Sinne eines kommunalen Monitorings durchgeführt wird. Die Pflegekonferenz wurde demzufolge darüber hinaus dazu genutzt, um die Befragung ähnlich wie beim SPGK in wesentlich gekürzter Form anzukündigen bzw. durchzuführen und auf der Basis den Ist-Stand in einer digitalen Pflegekarte (für die Akteure zugänglich) abzubilden.
Besonders erfreulich ist, dass in diesem Zusammenhang der Zusammenschluss in das Expertengremium des Projekts zur Pflege- und Strukturplanung des bayerischen Landkreistages aufgenommen wurde. Die Geschäftsstelle bzw. die Gesundheitsregionplus Passauer Land fungiert dabei als direktes Sprachroh, um Punkte, die bei der Pflegekonferenz und in der AG Pflege diskutiert und gesammelt wurden, auf direktem Wege im bay. Landkreistag zu platzieren und somit die Bedarfe und Herausforderungen der Region – insbesondere aus dem Blickwinkel des ländlichen Raums - gezielt einbringen zu können.
INFO
Was ist die Pflegekonferenz?
Eine Pflegekonferenz ist ein regelmäßig stattfindendes Treffen von Fachleuten, Entscheidungsträgern und Interessengruppen aus dem Bereich der Pflege und des Gesundheitswesens. Ziel einer solchen Konferenz ist es, aktuelle Themen und Herausforderungen in der Pflege zu diskutieren, Lösungen zu erarbeiten und neue Entwicklungen sowie Best Practices vorzustellen.
Bild zur Meldung: Pflegekonferenz im Landkreis Passau